Am Anfang war das Wort


1. „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“  So heißt es im Buch Genesis 1,1. Aber am Anfang war das Wort. Auch wenn es heißt, Gott „schuf“ etwas, ist damit nicht handwerkliche Tätigkeit gemeint, wie im Folgenden auch deutlich wird. So heißt es bei 1,3 und 1,4 „Gott Sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht.“ Und weiter heißt es bei 1,6f: „Dann sprach Gott, Ein Gewölbe entstehe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser. Gott machte also das Gewölbe und schied das Wasser unterhalb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Gewölbes.“

 

Machen und Tun durch Gott ist also nicht als Tätigkeit durch Verrichtung bestimmter Arbeiten zu verstehen, sondern als reine akustische, nämlich sprachliche Bestimmung. Wie ein Zauberer, der eine Formel aufsagt um ein Ergebnis zu erzielen (die Taube aus dem Zylinder o.ä.) wird hier Gott alleine durch die Allmacht seines Wortes tätig.

 

Wir wissen heute um den sogen. Urknall: Keine Explosion in einem bestehenden Raum, sondern die gemeinsame Entstehung von Materie, Raum und Zeit.

 

Während im Buch Genesis die Menschheits- und damit Erdentwicklung auf sieben Tage ausgedehnt bzw. begrenzt wurde, sind die hauptsächlichen Umstände (Materie, Zeit und Raum) im gleichen Augenblick entstanden, währenddem sodann die Entwicklung einige Milliarden Jahre brauchte. Das kosmologische Standardmodell (Lamda-CDM-Modell bzw. ACDM-Modell) lässt den Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren geschehen. Die Erde, auf der wir leben, existiert erst rund 4,5 Milliarden Jahre.

 

Wenn es bei Genesis heißt, Gott habe am Anfang Himmel und Erde erschaffen, ist dies jedenfalls von der Begrifflichkeit her falsch. Geschaffen wurde hier  - in Bezug auf die uns bekannte Räumlichkeit -  unser Universum (Paralleluniversen pp. sollen hier erst gar nicht eingeführt werden). Am Anfang waren da Materie, Raum und Zeit, und erst im laufe von Milliarden von Jahren entwickelten sich Planeten und Leben auf diesen.

 

2. Also stellt sich das Buch Genesis als eine nette Geschichte, ein Märchen dar, welches man kleinen Kindern erzählen kann resp. Personen, die  - wie im von der Kirche beherrschten Mittelalter (Stichwort: Inquisition) -   leichtgläubig waren bzw. die noch nicht den Stand unserer Wissenschaft hatten ?

 

Die Frage ist differenziert zu beantworten, sowohl mit Ja (Ziffer 2.1.)  als auch mit Nein (Ziffer 2.2.).

 

2.1. Nimmt man die Angaben der Bibel wörtlich, so ist die Frage klar mit Ja zu beantworten. Denn wissenschaftlich sind die benannten Thesen im Buch Genesis nicht haltbar.

 

Es lässt sich auch nicht argumentieren, dass der angebliche Verfasser bei der Entstehung selbst nicht anwesend war. Das Buch Genesis ist das erste von fünf Büchern Moses. Da Moses den direkten Kontakt mit Gott für sich beansprucht, seine Kommunikation mit ihm, so ist die falsche Darstellung nicht mit Unkenntnis zu begründen, es sei denn, es gab diese behauptete Kommunikation nicht.

 

Will man von der Glaubensfrage her die Richtigkeit einer Kommunikation mit Gott durch den Verfasser der Bücher, Moses, annehmen, so wäre die Ursache der fehlerhaften Darstellung zu begründen. Hier wird von der evangelisch-lutherischen Kirche eingewandt, es handele sich nicht um eine Geschichtsschreibung im modernen Sinne, sondern man muss sie im Stil der antiken Geschichtsschreibung und als theologische Geschichtsdeutung verstehen. Zuzugeben ist dieser Argumentation sicherlich, dass für die Prüfung nicht heutige Darstellungsweisen geschichtlicher oder wissenschaftlicher Umstände herangezogen werden können, sondern der Zeitgeist zum Zeitpunkt des Verfassens der Schriftstücke.

 

Das mag zwar eine gewisse Verklärung tatsächlicher Umstände rechtfertigen, nicht aber den Umstand, dass eine Geschichte erzählt wird, die mit den realen Umständen kaum noch eine Gemeinsamkeit hat. Der Erklärungsversuch, der „inspirierende Gott“ habe damit lediglich sein Heilsangebot darlegen und die typischen Reaktionen des Menschen darauf aufzeigen wollen, mag für „Das Paradies“ (Genesis 2, 4bff) und „Der Fall des Menschen“ (Genesis 3) noch zutreffend sein, nicht aber für die eigentliche Entstehungsgeschichte. Hier ging es nicht um ein „Heilsangebot“ und/oder Reaktionen von Menschen darauf; vielmehr sollte eine „Geschichte“ von dem Anbeginn an dargestellt werden.

 

Mag vor dem benannten Hintergrund die Entstehung der Erde auch nur als unbedeutendes Beiwerk angesehen worden sein, bliebe doch festzuhalten, dass ohne jegliche Not eine den tatsächlichen Geschehen abweichende Darstellung gegeben wird.

 

Die (katholische) Kirche hat lange an der Korrektheit der Bibel und damit auch an der Korrektheit des Buches Genesis festgehalten. Dies wohl in der fatalen Annahme, durch das damit auch einhergehende geozentrische Weltbild die Kirche als Wahrer der göttlichen Bestimmung (leichter) festigen zu können. Dass sogar die Erde als Platte angesehen wurde (obwohl schon die Griechen erkannt hatten, dass es sich um eine „Kugel“ handeln würde) ist wohl ebenfalls auf diesen Umstand zurückzuführen, wie auch die Negation von Theorien des Kopernikus, wonach nicht die Erde, sondern die Sonne im Mittelpunkt des Universum stünde.

 

Bezeichnend sind die Inquisition und die Verfolgung vermeintlichen Ketzertums, wenn Thesen aufgestellt wurden, die dem Wortlaut der Bibel  - und hier auch insbesondere dem Buch Genesis 1-  widersprachen. Giordano Bruno (er setzte die Fixsterne mit der Sonne gleich und nahm weder für die Erde noch die Sonne eine Mittelpunktfunktion an) und Galileo Galilei (er stellt fest, dass sich die Erde um die Sonne bewegt, nicht umgekehrt) sind markante Beispiele; der Erste wurde noch 1600 in Rom verbrannt.

 

2.2. Ohne dass im Sinne der Kirche Gott in Frage gestellt werden kann / muss, lässt sich aber die benannte Ausgangsfrage auch mit Nein beantworten.

 

In diesem Zusammenhang darf auch darauf hingewiesen werden, dass die Ausgangswerte des Buches Genesis 1 auch im Koran übernommen wurden (Sure 10: Jonas [Yünus]), dies, obwohl doch der Koran erst im 7. Jahrhundert entstanden sein kann. Dass man die „Geschichte“ der Erdentstehung auch im hebräischen Talmud findet, dürfte bereits selbstverständlich sein.

 

Schöpfungsgeschichten gibt es viele, letztlich für alle Religionen. Die germanischen Schöpfungsmythen sind überwiegend nur in der isländischen Edda-Literatur des Mittelalters erhalten geblieben. Es werden also nicht Mythen aus urgemanischer Zeit wiedergegeben, sondern Endpunkte der Entwicklung nordgermanischer Völker. Die isländischen Götterlieder beinhalten eine ähnliche Geschichte wie das Buch Genesis, spielen dort auch verschiedene Gottheiten die wesentliche Rolle. In der Schöpfungsgeschichte der Maori waren es die Kinder der Gotteltern, die Licht und damit letztlich die Erde erschufen.

 

Zunächst sprechen natürlich die diversen auf Gottheiten zurückzuführende Schöpfungsgeschichten über die Entstehung der Erde indiziell für reine Fantasiegeschichten, erfunden um etwas zu erklären, was mit naturwissenschaftlicher Logik (noch) nicht erklärt werden konnte. Genau an dieser Stelle ist aber auch der Bruch zwischen Wissenschaft und Glaube. Die Wissenschaft bezieht sich auf nachweisbare, belegbare Umstände. Der Glaube ist qua Wortlaut nicht auf nachweisbaren Fundament errichtet, sondern auf eine Fiktion (im Sinne einer Vorstellung).

 

Es fällt allerdings schwer einer entsprechenden Fiktion nachzugehen, verteidigt sie teilweise vehement sogar eindeutig verlorene Positionen. Das Buch Genesis 1 über die Entstehung der Erde ist in der Sache falsch. Was bleibt wäre allenfalls der Umstand, dass Gott nicht handwerklich tätig wurde, sondern durch Willenskraft (Wort). Natürlich versuchen wir heute rational alles auf bestimmte naturwissenschaftliche Denkgesetzte zurückzuführen. Soweit wir dies noch nicht können, also nicht den Ursprung bestimmter Umstände nachweisen können, hoffen wir auf weitere Forschungsergebnisse. Das alles spricht nicht gegen eine höhere Gewalt, die hier bestimmte Naturgesetze schuf, die wir heute erforschen. Heute ist weniger die Kernfrage, wie sie noch zu Beginn im Buch Genesis stand, wie die Erde entstand; Tag und Nacht  -  heute geht es um die Frage, wie alles entstand.

 

Und damit verbunden ist die Frage der Endlichkeit. Aber die lässt sich wohl nur beantworten, wenn die erste Frage geklärt ist. Wann immer das sein sollte. Bis dahin bleibt nur: glauben oder nicht glauben.

 

Am Anfang war das Wort   -  und wenn es auch nur ein Geräusch (Knall) war.....