Der Tag der Endlichkeit


mittelerde (Lisa Winter - lisa-winter-art.de)
mittelerde (Lisa Winter - lisa-winter-art.de)

 

1.               Man ist jung, oder wie es auch gerne heißt: Jung, dynamisch, progressiv. Das Leben ist offen. Alles liegt vor Einem. Nichts kann einen hindern, nicht ist nicht zu bewältigen. Diese Annahmen, die sich auch gerne im Lebensstil ausdrücken, mögen ein Vorrecht der Jugend sein, die dem drückenden Alter irgendwann weichen. Erst langsam, ja beinahe unmerklich, doch dann immer schneller, und auch bewusster.

 

 

    Zeit und Raum sind Illusionen, so sagte es Einstein. Grenzen gibt es keine. Was kostet die Welt ?

 

       Pläne werden geschmiedet, Zukunftspläne. Man hat viel vor  -  und viel Zeit. Zeit ist nicht kostbar, es erscheint als Massenware.

 

 

2.                 Der Ort mag gefühlsmäßig keine Illusion sein. Aber die Zeit, deren man doch so viel hat. Um so mehr sie vergeht, um so weiter man auf eine selbst gelebte Vergangenheit blicken kann, desto deutlicher wird ihre Vergänglichkeit bewusst. Illusion ? Ja, bezieht man dies auf den Beginn, denn der Umgang mit Zeit zeigt auch die falsche Wahrnehmung der Wirklichkeit. Die Erkenntnis kommt oft spät, zu spät. Irgendwann ist es vorbei, gibt es nicht mehr die grenzenlose Zukunft, keine Ratio für eine Planung. Was bleibt war die Vergangenheit, das Gelebte oder auch Ungelebte. Die Illusion von Zeit und Raum endet nicht in einer Unendlichkeit, sondern in der Endlichkeit. Jedenfalls der Endlichkeit menschlichen Daseins.

 

3.              Religionen versuchen die Illusion der Unendlichkeit aufrechtzuerhalten. Ein Leben im anderen Seinszustand an einem anderen Ort. Sie bilden also auch nur Illusionen. Die Religion hilft eventuell, wenn man denn einen entsprechenden (festen) Glauben hat, der Zweifeln keinen Raum lässt. Geht man vom Wissen aus, weiß man, dass mit dem Leben zwar für den Körper andere Aggregatszustände folgen werden, dass aber der Geist und damit der Bereich des menschlichen Bewusstseins (wohl) nicht weiter Bestand hat. Es ist wie ein Satz, bei dem zum Schluss und Abschluss der Punkt gesetzt wird Der Satz ist beendet. Ein neuer Satz, mag er auch inhaltlich an den ersten Satz anschließen, ist ein neuer Satz und nicht die Fortsetzung des alten Satzes. Das Leben geht weiter, aber nicht das eigene Leben. Und die Toten ? Sinnig, steht doch im Evangelium (Matthäus 8.22.) als Ausspruch von Jesus: „Folge du mir und laß die Toten ihre Toten begraben !“ Leben als Gegensatz von Unleben; Leben und Unleben als zu trennende Bereiche. Das Aus des Hier und Jetzt als Beendigung auch einer Daseinsberechtigung.

 

4.         Beginn und Ende sind eng miteinander verknüpft. Denn der Beginn ist stets der Anfang vom Ende. Das Ende wird nur nicht gelebt, nur der Beginn. Dies bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Ende feststeht, unausweichlich, bedrohlich, nah. Was dann noch bleibt ist der Rückblick. Zufrieden über das Erlebte und Erreichte ? Unzufrieden über eine vertane Zeit ? Jedenfalls unabänderlich, gewiss.

 

           Aus Plänen werden Träume. Man kann mit dem Schicksal hadern, unabhängig davon, ob es früher oder später eintritt. Man kann ihm nicht entkommen. Das Morgen wird bedeutungslos. Das Gestern ist Reflektion. Das Heute ist ein Bruchteil der Gedanken. Es ist das Suchen oder Zurechtfinden in der Absurdität des Nichts.

 

   Wurde Teamgeist gepredigt, ist er vorbei. Denn der Schritt wird nicht im Team vollbracht. Werte gibt es nicht mehr, denn der Wert des Lebens, der häufig in Vergessenheit geraten war, der überschwänglich genutzt wurde (oder auch nicht), löst sich mit dem Nichts auf. Der Tag der Endlichkeit ist der Tag der Erkenntnis.