Freundliche Grüße  -  oder nicht ?

Man will freundlich sein, dem anderen auch im Schriftverkehr freundlich begegnen. Selbst wenn es um ernsthafte Dinge geht, ggf. der Angeschriebene unter Fristsetzungen zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen veranlasst werden soll, gilt die Freundlichkeit in der Form.

 

Aber sind wir wirklich freundlich ?

 

Früher war es gebräuchlich, die Anrede mit „Sehr geehrte“ zu beginnen und abzuschließen mit „Hochachtungsvoll“.  Nun schien es aber wohl einigen Gläubigern, die ihre Schuldner anschrieben, etwas zu viel des Guten, ihn mit „Sehr geehrte“ zu „ehren“ och gar noch „Hochachtung“ vor ihm zu haben. So wurde aus dem „Hochachtungsvoll“ ein „Mit freundlichen Grüßen“ oder, schon etwas mehr eingeschränkt, ein „Mit freundlichem Gruß“.

 

Aber weshalb sollte man jemanden ehren oder gar mit entsprechenden Grüßen freundlich begegnen, wenn man in Wirklichkeit ganz anderes denkt ? Es erscheint auch wenig wahrscheinlich, dass man demjenigen, dem man zum x-ten Mal auffordert, einen fälligen Betrag zu zahlen, durch „Sehr geehrter“ ehrt oder ihm gar abschließend, evtl. nach dem >Hinweis nunmehr den Anspruch gerichtlich geltend zu machen, noch „freundliche Grüße“ oder zumindest einen freundlichen Gruß sendet.

 

Ist es da verwunderlich, wenn sich die Formen der Anrede und der Schlussformel von Schreiben wandeln ? Dies hat nichts mit der aufgekommenen Mail-Mentalität zu tun, die dazu verleitet, stückchenwiese Gedanken dem Empfänger zu übermitteln, statt sie selbst durchzudenken und in einem verständlichen Verbund mitzuteilen. Es ist wohl eher die Ehrlichkeit vor sich selbst und dem Angeschriebenen gegenüber.

 

So lautet die Einleitung statt „Sehr geehrte“ oder „Sehr geehrter“ schlicht „Guten Tag“. Nun gut, zugegeben. Immer noch sehr freundlich, da schon zweifelhaft ist, ob der Absender im konkreten Fall dem Empfänger tatsächlich (noch) einen „guten“ Tag wünschen will. Vielleicht kommt dann bald das einfache „Tag“. Allerdings haben einige Schreiber diesen Umstand bereist dadurch gelöst, dass sie schlicht „Hallo Herr..“ oder „Hallo Frau…“ schreiben. Hallo, keine Wünsche für den Angesprochenen, eher eine Aufforderung „Jetzt hör mir zu“. Es fejlt nur dass ehedem nach der Anrede übliche Ausrufezeichen, statt des heutigen Komma: „Hallo Herr X !“. Das wäre wirklich deutlich.

 

Und die Abschlussformel ? Da wurde zwischenzeitlich aus dem „Hochachtungsvoll“ über jenes „Mit freundlichen Grüßen“ bzw. „Mit freundlichem Gruß“ ein „Freundliche Grüße“. Sie meinen, mit dme „freundlich“ würde immer noch eine nicht vorhandene Gesinnung des Absenders zum Ausdruck kommen, er wolle den Empfänger freundlich grüßen ? Kaum. E ist wie eine Klatsche, kalt und abweisend. Er bekommt die vermeintlich „freundlichen Grüße“ hingeschmettert. Es erscheint, als würde der Absender sie dem Empfänger vor die Füße schmeißen und darauf treten.

 

Leider aber wird in der Stereotypizität kein Unterschied mehr gemacht zwischen den jeweiligen Empfängern. Ist es der (hartnäckige) Schuldner oder eine sonst unliebsame Person, oder ein sehr guter, vielleicht sogar sehr angenehmer Geschäftspartner. Einleitungsformel und Schlussformel der Anschreiben sind in der Regel identisch. Obwohl doch die Sprache so facettenreich ist, wird sie nicht genutzt. Ich zumindest fühle mich bei „Freundliche Grüße“ stets etwas angegriffen, da es schlicht hingeworfen ist.

 

Vielleicht sollte wir uns der Mühe unterziehen, auch bei den Einleitungsformeln zu unterscheiden, wem wir was schreiben wollen. Es würde den Umgang etwas erleichtern.

 

 

Da haben es doch die Anwälte etwas leichter, die untereinander nur „Mit kollegialen Grüßen“ korrespondieren können, ohne damit eine Wertschätzung oder Wertunschätzung zum Ausdruck zu bringen. Wie genial.